Dr. Martin Reti 21. Juli 2014

Social Media Engagement als Unternehmens-Trumpf?

Brian Solis ist schon eine große Nummer in der Welt von Social Media. Wenn er sich zu Wort meldet, kann er sich eines großen Zuhörerkreises sicher sein: auf Facebook sind das 31.000 Personen, auf Twitter 225.000 und auf LinkedIn immerhin 54.000. Und wenn er dann eine Studie verbreitet, in der bestätigt wird, dass sozial engagierte Unternehmen ihre Wettbewerber in vielerlei Hinsicht hinter sich lassen, dann ist klar, dass das wie ein Lauffeuer durch die Social Media geht.

Solis spricht in der Altimeter-Studie von “relationship economics”. Auf Deutsch vielleicht so zu verstehen, dass Unternehmen wie ein lebendiger Organismus Beziehungen nach innen und außen pflegen, um auf dieser Basis geschäftlich erfolgreich zu sein. Das Mittel dazu: Social Media. In der Folge werden diese (erfolgreichen) Unternehmen als “social engaged companies” bezeichnet.

Zweistufiges Vorgehen

Zum Hintergrund der Studie: LinkedIn beauftragte die Altimeter Group, den Arbeitgeber von Brian Solis, mit einer Studie darüber, wie sich das soziale Engagement von Unternehmen auf deren geschäftlichen Erfolg auswirkt. Die Studie steht auf zwei Füßen: Zunächst wurde offensichtlich das Verhalten von Unternehmen und deren Mitarbeitern in Social Media untersucht. Dabei waren vier Parameter im Fokus: Content Marketing, Mitarbeiter-Engagement, Ansprache von neuen Mitarbeitern und Talenten sowie Vertriebsaktivitäten.

Durch diese (Big-Data-?)Analyse (“based on billions of signals and insights”) wurden 100 Top-Unternehmen gekürt. Im zweiten Schritt wurden zwei Gruppen von jeweils ca. 1.400 Social-Media-Nutzern befragt. Die einen Mitarbeiter dieser Top 100-Unternehmen, die anderen … nicht ;).

Daraus entstand dann eine Liste mit den Top 25-Unternehmen. Der Löwenanteil aus der IT-Branche.

Altimeter: Social Media macht Unternehmen erfolgreich

Dabei zeigte sich – um das zentrale Ergebnis vorwegzunehmen – dass soziale engagierte Unternehmen in vielerlei Hinsicht erfolgreicher sind als Social-Media-resistente Unternehmen. Der Stein der Weisen ist offensichtlich gefunden. Das könnte man jetzt so stehen lassen. Aber erstmal sollten wir noch ein Blick auf die Zahlen werfen …

Mitarbeiter in solch Social-Media-engagierten Unternehmen sehen die Zukunft ihres Unternehmens zu 27 Prozent optimistischer, fühlen sich zu 20 Prozent stärker inspiriert und ans Unternehmen gebunden. Darüber hinaus vernetzen sie sich zu 15 Prozent häufiger mit Kollegen außerhalb ihrer Teams. In Zeiten fallender Gallup-Indices für die Mitarbeiter-Motivation sind das natürlich gute Nachrichten.

Aber es kommt noch besser: Die Wahrscheinlichkeit, dass die Unternehmen stärker im Wettbewerb sind, liegt bei 40 Prozent, dass sich Sales Leads erhöhen bei 57 Prozent und dass sich Top-Talente angezogen fühlen bei 58 Prozent. Was will man mehr?

altimeterstudie

Ein paar Anmerkungen

Freilich jubeln jetzt alle Fans von Social Media mit einem: “Wir haben es schon immer gewusst”. Aber ein bisschen Wasser wollen wir schon in den Wein gießen …

Wenn im Text “Social Media” erscheint, ist damit LinkedIn gemeint. Und zwar nur LinkedIn. LinkedIn ist immerhin mit knapp 300 Mio. Mitgliedern das größte weltweite Business-Netzwerk; der Datenschatz ist also sicherlich groß genug, um damit aussagekräftige Zahlen zu erheben – und als Plattformbetreiber hat man da natürlich exklusiven Zugriff drauf. Aber man sollte nicht vergessen, dass LinkedIn eben ein Business-Netzwerk ist, das gezielt alle Aspekte des Geschäfts unterstützt. Was den Wert der Daten nicht schmälern soll, aber wie Ian Falconer es ausdrückt: “Interessante Studie für LinkedIn, aber ich kann keinen Wert jenseits des Offensichtlichen finden: Menschen, die auf LinkedIn aktiv sind, sind aktiver auf LinkedIn. Das ist nicht überraschend.” Das trifft es zwar auch nicht ganz genau, aber man wird das Gefühl nicht los, dass die Ergebnisse in einem geschlossenen System erzeugt werden und dadurch die Ergebnisse die Voraussetzungen widerspiegeln.

Ärgerlich ist, dass im begleitenden Text andere Zahlen genannt werden als auf der Infografik. Zur Erinnerung (s.o.): auf der Infografik waren 27 Prozent “more likely to feel optimistic about their companies’ future”. Im Text liest sich die Optimistenpassage: “… employees of the top socially engaged companies are far more optimistic than those of general companies we interviewed: 52% versus 41%.” Was jetzt: 27 oder 52? Und dann können wir noch darüber diskutieren, ob 9 Prozent Unterschied “far more” sind.

Schaut man die Ausführungen zu den “harten” Businesszahlen an – wir erinnern uns: Wettbewerbsfähigkeit (40%), Sales Leads (57%), Anziehungskraft für neue Talente (58%) – dann schleicht sich im Text ein kleines, aber bedeutsames “Gefühl” in die Auswertung ein. Die erhobenen Zahlen beziehen sich nämlich mitnichten auf harte Kennzahlen, sondern auf das Gefühl der befragten LinkedIn-Nutzer. Sie denken, dass ihr Unternehmen mehr Sales Leads generiert etc. Interessant wäre eine Spiegelung an den “echten” Zahlen, nicht an einer Aufnahme der Meinung der Mitarbeiter, die durch ihr Engagement auf “Social Media” (i.e. LinkedIn) per se in ihrer Meinung und ihren Erwartungen vorgeprägt sind.

Interessant wäre zudem noch gewesen zu erfahren, wie viel Prozent der Mitarbeiter der Unternehmen jeweils auf LinkedIn aktiv sind und welche Parameter genau in die Unternehmensaktivität einflossen bzw. ob dort bereits ein Anteil des Mitarbeiter-Engagements “gewürdigt” wurde . Im Unklaren bleiben leider auch die Kriterien, die bei der Auswahl der Top 25 aus den Top 100 angelegt wurden. Schade.

Wir haben die Fragen an Brian Solis adressiert, aber es gab leider noch keine Antwort. Ein wenig mehr Hintergrundwissen wäre für die Bewertung der Ergebnisse sicher sinnvoll.

Was bleibt

Ein hochinteressantes Thema, doch scheint es, dass die Ergebnis sehr stark auf die Top-Botschaft ausgerichtet sind: “Ohne LinkedIn können sich Unternehmen warm anziehen”. Ob das so ist – würden wir alle besser beurteilen können, wenn wir noch ein paar Daten mehr hätten. Bis dahin behalten wir im Kopf: Mitarbeiter von Unternehmen, die sich auf LinkedIn engagieren, denken 20 Prozent besser über ihr Unternehmen – das ist ja zumindest schon mal was. Und vielleicht stellt Brian Solis ja die eine oder andere Frage noch klar :)

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Dr. Martin Reti

Senior Consultant

Martin ist als Senior Consultant zuständig für eine breite Palette von divia-Themen, seien es klassische Marketinginstrumenteoder digitale Medien. In seiner Rolle berät er Unternehmen bei der Einführung von Social Media, bereitet im Content MarketingInhalte werthaltig auf und dient als Sparringspartner und Promotor von neuen Marketing-Ideen.

Martin hat langjährige Erfahrung im strategischen Marketing. Einerseits konzipiert er Marketingkampagnen, andererseits fühlt er sich auch als Umsetzer sehr wohl. Neben Auftragsarbeiten hat er auch eine große Zahl von Fachveröffentlichungen über Themen der digitalen Welt publiziert. Er ist ein gewinnender Referent zu Themen wie digitaler Transformation, Social Mediaund Cloud Computing. In seiner Rolle als “Übersetzer” und “Erklärer” vermittelt er komplexe (technische) Inhalte einfach und verständlich. Dabei kommt ihm sein analytischer Blick als Naturwissenschaftler zugute.

Als digitaler Immigrant versöhnt er die Welt des klassischen Marketing und das digitale Universum. Er hat langjährige Erfahrung in der ICT-Branche und kennt die aktuellen Themen, die Unternehmen – heute, häufig aber erst morgen – umtreiben: Big Data,Cloud Computing, Mobile, Collaboration & Co. In der Vergangenheit hat er aber auch Querschnittsthemen wie Prozesse und Personal unterstützt und sogar zwei Jahre als Social Media Manager in der Personalwirtschaft gearbeitet.

Martin ist im Netz bei Facebook,Twitter, Linkedin, Xing, Google+ und vielen weiteren Plattformen und Netzwerken zu finden. Ebenso schreibt er in unserem divia-Blog über seine Schwerpunktthemen. Beim Bitkom engagiert er sich im Arbeitskreis Cloud Computing & Outsourcing.

In der Freizeit engagiert sich Martin als Familienvater dreier Kinder und als Kirchengemeinderat u.a. in der Kinder- und Jugendarbeit der evangelischen Kirche. Martin ist immer bereit für ein gepflegtes Karten-, Würfel- oder Brettspiel. Als weiteres Hobby veröffentlicht er Rätsel auf seinem Blog. Aber auch im Freien ist der passionierte Freizeitläufer anzutreffen.

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