Philipp von Schmeling 6. April 2018

Inbound Marketing für Start-ups: Ein Überblick (nicht nur für Berliner)

Start-ups müssen sich heute schon zu einem frühen Zeitpunkt mit dem Thema Online Marketing befassen. Insbesondere wenn die Marketingstrategie eine eigene Leadgenerierung mit der Website beinhaltet, muss Inbound Marketing in den Fokus rücken. Mit welcher Software ein Start-up hierfür arbeiten sollte, hängt vom Einzelfall ab. Unsere Beobachtungen und Erfahrungen fassen wir im Folgenden mal zusammen und geben die ein oder andere Empfehlung:

Grundsätzliches und wer ist eigentlich meine Buyer Persona?

Von wem ich im Netz gefunden werden möchte hängt in der Regel von den aktuellen Prioritäten ab. Für das eine Start-up steht das Werben um finanzkräftige Investoren im Vordergrund, da Produkte und Dienstleistungen noch in der Entwicklung stecken, ein anderes muss nun langsam mit Kunden und Aufträgen nachweisen, dass das investierte Geld gut angelegt war.

Statt einen Webauftritt mit der heißen Nadel zu stricken, sollten eine Reihe von Fragen beantwortet sein, bevor mit der Arbeit begonnen wird:

  • Was sind unsere Ziele?
  • Was sind unsere Pläne?
  • Was sind unsere Herausforderungen?
  • Bis wann wollen wir unsere Ziele erreichen?

All diese Dinge erreichen wir nur dann planvoll und zielgerichtet, wenn wir wissen,

  • wer unsere Buyer Personas sind und
  • wie deren Online-Verhalten aussieht.

Weitere Fragen, die Sie auf Ihrer Checkliste abgehakt haben sollten, wenn Sie den maximalen Nutzen aus Ihrer Website ziehen wollen, sind:

  • Wie viel Budget haben wir?
  • Wie viel Zeit können wir auf unsere Webseite verwenden?
  • Wer produziert die Inhalte?
  • Auf welchen Social-Media-Kanälen wollen wir präsent sein?
  • Wie aktuell halten wir unsere Online-Präsenz?
  • Wie stellen wir sicher, dass kaufinteressierte Besucher der Website nicht verloren gehen?
  • Was ist unsere durchschnittliche Transaktionsgröße?
  • Passiert der Check Out auf unserer Webseite oder auf der unserer Partner?
  • Wofür wollen wir berühmt werden?
  • Wie viel Reichweite brauchen wir?
  • Wie viele Anfragen brauchen wir?
  • Wie viele Kunden brauchen wir?
  • Wie viel ist eine Anfrage wert?
  • Wie viel ist ein Kunde wert?
  • Wie viel darf eine Anfrage in der Akquise kosten?
  • Wie viel darf ein Kunde in der Akquise kosten?
  • Welche Anfragen sind es wert, persönlich beantwortet zu werden?
  • Wie schnell müssen wir unsere Anfragen beantworten?
  • Soll unsere Webseite an eines unserer bestehenden Systeme angeschlossen werden?
  • Generiert das bestehende System bereits Umsatz?
  • Wie viele Mitarbeiter planen wir im Marketing?
  • Wie viele Mitarbeiter planen wir im Sales?

Quanta costa? - Das liebe Geld

Alle Fragen beantwortet? Keine Sorge, es gibt noch mehr zu klären - aber es lohnt sich. Zunächst mal zum Unterschied zwischen einer statischen Website alter Prägung und einer mit Marketing-Automatisierung:

Während die erste klassischerweise für 15.000 bis 50.000 € eingekauft wird, mit nur eingeschränkt möglichen, immer aber teuren Anpassungen über die Jahre, so dass alle 3 bis 5 Jahre ein vollständiger Relaunch notwendig wird, zielt eine Inbound-optimierte Seite darauf ab, Inhalte immer in der kundenzentrierten Weise anzubieten. Auch hier werden gegebenenfalls einmalige Anschaffungskosten für grundlegende Designs und Lizenzen fällig, allerdings entstehen auch monatliche Betriebskosten, da fortlaufend Inhalte erstellt, getestet und geändert werden müssen - im Dienste der Leadgenerierung.

Passend zu den Marketingkampagnen müssen Formulare erstellt und angepasst werden, das (automatisierte) E-Mail-Marketing muss geplant und eingerichtet werden, mit A/B-Tests wird die Effektivität einzelner Änderungen und Varianten überprüft. Pay-per-click-Kapmpagnen müssen eingebunden und verwaltet werden, Social-Media-Kanäle wollen gefüttert und bespielt werden, eventuell kommt auch noch ein Webshop hinzu, der einen direkten Absatz ermöglicht.

Insgesamt kommen also zu der Website noch eine Reihe Tools hinzu, die eingerichtet, angebunden und gepflegt werden wollen. Hier eine:

Übersicht gängiger Tools nach Einsatzzweck

Content Management Systeme

  • Typo3 (deutsch)
  • Hubspot
  • WIX
  • Wordpress

E-Mail-Marketing

  • Mailchimp
  • Active Campaign
  • Hubspot
  • Get Repsonse

Landing Pages

  • Hubspot
  • Leadpages
  • Smartforms
  • Unbounce
  • Landingi

Webshops

  • Magento
  • shopware
  • oxid (deutsch)
  • woocommerce
  • shopify

Marketing Automatisierung

  • Pardot
  • Marketo
  • Hubspot
  • Eloqua

Ein paar Erläuterungen und Einschätzungen zu den o.g. Tools:

Typo3

Eine besonders in Deutschland erfolgreiche Plattform. Nicht alle Entwickler sind gleichermaßen zufrieden mit dem Open Source Projekt.

Hubspot

Vielleicht das gesamtheitlichste Sales- und Marketing-Tool am Markt. Seit einiger Zeit auch vermehrt in Deutschland anzutreffen. Integriert viele wichtige Funktionen und lässt sich bei Bedarf gut in bestehende Systeme integrieren. Aber: Qualität kostet. Entwickler vs. User: Marketing-Mitarbeiter mit niedrigem Techskill kommen mit den Oberflächen gut zurecht, während sich Programmierer etwas eingeschränkt fühlen. Viel günstiger:

WIX

Positioniert sich derzeit als preisgünstiger Anbieter für Einsteiger. Gerade für externe Tracking-Codes gibt es allerdings nur eingeschränkte Unterstützung und keinen Support von WIX. Wer also Inbound Marketing in vollem Umfang einführen möchte, ist mit anderen Lösungen besser beraten.

WordPress

Ebenfalls ein sehr guter, wenn nicht der beste Einstieg für Preisbewusste. Eine solide, große Community sorgt für umfangreiches Wissen, die vielen Templates lassen kaum einen Wunsch offen. Trotzdem: Hier muss vieles selbst konfiguriert werden, was andernorts übersichtlich zur Verfügung steht.

Mailchimp

Sehr populäre E-Mail-Lösung, der bestehende Seiten um Marketing-Automatisierung und Landing Pages erweitert. Naturgemäß fehlt dem Tool, das letztlich das vorhandene Funktionsspektrum erweitert, die 360°-Sicht auf alle Online-Elemente.

Pardot

Die Marketing Automatisierung von Salesforce kann ihre Muskeln spielen lassen, wenn sie Masse bewegt. Wer also bereits eine große Salesforce-Datenbank hat, kann hiermit gut bedient sein. Wer "auf der grünen Wiese" plant, wie die meisten Start-ups, und erst noch Webseite und Leads benötigt, fährt mit Hubspot besser. Die mögliche Anbindung an Salesforce ist hier sehr gut und lässt Raum für die Zukunft.

Marketo

Marketo trumpft durch seine starke Microsoft Dynamics Integration auf, ähnelt ansonsten Pardot.

Eloqua

Eloqua, die Marketing Automation von Oracle, setzt sich preislich weit von Hubspot, Marketo und Pardot ab, hat aber die bessere Anbindung an Oracle-Datenbanken und Oracle-Business-Intelligence-Dienste. Definitiv etwas für die größeren Fische im Teich und sehr komplex. Für Start-ups wohl häufiger nicht die erste Wahl.

Die Wahl des Tools hängt vom Zweck ab

Je nach dem, wo sich das Start-up in seiner Entwicklung befindet, stehen unterschiedliche Ziele im Fokus: In frühen Stadien ist es besonders wichtig, Reichweite aufzubauen und Anfragen zu sammeln. Vor allem, wenn das Produkt in der Alphaphase und noch nicht marktreif ist, man aber schon die Marke und eine Community etablieren will. Wenn es, wie bei Start-ups in Berlin recht häufig, um Apps und Kleinsoftware geht, sollte dies den Hauptaugenmerk genießen, um nicht am Markt vorbeizuentwickeln. Nachfolgend gibt es ein paar Zahlen zur Orientierung:

Erste Ziele

  • 10.000 Besucher organischer Traffic monatlich
  • 1 Content, der 2.500 Besucher organisch zieht
  • 30 Leads pro Monat
  • 1.000 Leads in einem Jahr

Warum diese Ziele? Methoden wie A/B Testing und Marketing-Automatisierung empfehlen sich erst ab 2.500 Besucher auf einem Content und 1000 Leads im Jahr.

2.500 Besucher in einem Monat deshalb, da A/B Tests vorher kaum verwertbare Ergebnisse liefern und 1000 Leads pro Jahr, da man niedrigere Volumina noch manuell wirtschaftlich verarbeiten kann.

Heißer Tipp hierzu: Bevor man automatisiert, sollte man standardisieren! Viele machen diesen Schritt nicht und potenzieren Ineffizienz und Ineffektivität auf.

Bannerwerbung und PPC-Kampagnen

Auf ein Wort: Ja, natürlich sind das Klassiker der Online-Werbung. Aber Bannerwerbung ergibt erst Sinn, wenn ein Mindestmaß an Brand Awareness existiert und PPC-Kampagnen sollten sehr gezielt ausgerollt werden, damit sichergestellt wird, dass der Return On Marketing Investment hier stimmt, also der so generierte Traffic auch konvertiert und kauft.

Zu guter Letzt:

"Wir sind doch selber Entwickler"

Ein Argument, das man häufiger hört. Und oft stimmt alles an diesem Satz. Bis auf einen Punkt: Die Energie, die in den Aufbau der eigenen Marketing-Maschine gesteckt wird, fehlt an anderer Stelle, nämlich bei der Produktentwicklung und -anpassung. Auch wenn Sie theoretisch in der Lage wären, alles selbst zu coden - die vorhandene Marketingsoftware funktioniert und ist bereits auf die Bedürfnisse spezialisierter Online-Marketiers zugeschnitten.

Fazit:

Besorgen Sie sich Marketing-Software. Ihre Investoren werden den Sinn hinter Inbound Marketing schnell verstehen. Je früher Sie Standards einführen, desto nachhaltiger wird Ihre Marketing-Automatisierung. Nutzen Sie die Arbeitsteilung zwischen Ihnen, Ihrer Software und gegebenfalls professionellen Inbound-Marketing-Beratern um Ihre Webseite für Sie arbeiten zu lassen, statt umgekehrt. Wie genau das mit der Inbound Methodik funktioniert, können Sie übrigens hier nachlesen:

 Inbound Methodik

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Philipp von Schmeling

Philipp von Schmeling schreibt im divia Blog zu Marketingthemen im IT- und B2B-Kontext. Sein aktueller Schwerpunkt liegt dabei auf der Inbound-Marketing-Methodik und Marketing-Trends. Im Projektmanagement organisiert und begleitet er Kundenwebinare.