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Digitaler Analphabetismus: Internet – ist das was zum Essen?

Geschrieben von Dr. Martin Reti | 4. Dezember 2014

Digitale Disruption, digitale Transformation – das ist ein Thema, dessen verschiedene Facetten uns hier im Blog immer wieder beschäftigen. Das Internet hat das Füllhorn der Veränderungen für Gesellschaft, Privat- und Geschäftsleben über uns ausgeleert. Und wenn uns Menschen begegnen, die immer noch fragen, was denn dieses Internet sei, dient deren Unkenntnis allenfalls erheiterter Stimmung an den einschlägigen Blogger-Stammtischen und Social-Media-Treffen verschiedenster Couleur. Dabei sind wir in der Minderheit …


 Miran Rijavec

Wir reden hier nicht von den 63 Prozent "digital weniger Erreichten" in Deutschland. Wir werfen einen Blick auf eine Welt jenseits der schillernden Welt der digitalen Erfolgsgeschichten rund um Weibo, Smart-City-Initiativen in Indien oder den Social-Media-Aufstieg in Arabien.
Warum Google wohl seine Ballons starten will? Warum Mark Zuckerberg möglicherweise ein Drohnenheer nach Indien abkommandieren will? Die traurige Wahrheit: Der größte Teil der Menschheit (laut Google zwei Drittel) hat keinen Zugang zum Internet und schmunzelt wahrscheinlich über die "herausragende" Bedeutung, die wir ihm zuerkennen. Wenn er überhaupt versteht, wovon wir reden. Denn die Diskussion über das Internet ist für den Kleinbauern in Äthiopien oder eine Orangenpflückerin in Tansania genauso bedeutsam wie eine Expedition auf den Mars. McKinsey konstatiert in seiner Studie "Offline and falling behind – Barriers to Internet Adoption" 2,7 Mrd. Internetnutzer 2014 – bis 2017 sollen nochmal 500 bis 900 Millionen dazu kommen. Klingt beeindruckend, kann aber mit dann ca. 4 Mrd. Nichtnutzern nicht mithalten.

Träumen vom Internet – wenn sie es denn kennen würden – können beispielsweise Menschen in Bangladesh, Äthiopien, Nigeria, Pakistan und Tansania. Vier Gründe – die man dem gesundem Menschenverstand wieder in Erinnerung rufen möchte – sind es, die wirkungsvoll die Internetnutzung verhindern: Armut, die Fähigkeiten der potenziellen Nutzer, die fehlende Telekommunikations-Infrastruktur und ein Mehrwert. Wer gerade mal einen US-Dollar pro Tag zum Leben hat, der braucht sich über ein Mobiltelefon (so es denn einen Provider gibt) keine Gedanken machen, wer 14 Stunden am Tag T-Shirts für europäische Kunden näht, der braucht abends keine englischsprachige Webseiten, deren Texte er nicht entziffern kann und wer auf täglich eine Stunde elektrischen Strom zugreifen kann, der ist froh, wenn "sein Ladestand 25 Prozent" beträgt.
Angesichts solcher Realität ist das Lamentieren von "nur" 80 Prozent Internetnutzung in Deutschland Jammern auf hohem Niveau. Wir spielen hier immer noch in einer anderen Liga – mit Highspeed-Diskussion, Netzneutralität, Internetzugang als Basisrecht und Rich Content.

Dass 20 Prozent der Deutschen keine PC-Kenntnisse haben und 86 Prozent nichts mit NFC anfangen können – darüber können wir uns ein andermal Gedanken machen. Das Internet als globales Phänomen muss noch ein paar Hürden nehmen. Und die sind nicht nur technischer Natur, sondern die haben viel mehr mit Bildung und Wohlstand zu tun. Wovon wir hier reichlich haben.