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Die grüne Seite der Cloud

Geschrieben von Dr. Martin Reti | 28. Mai 2014

Cloud Computing und Wärmelieferung – die Idee ist so sinnvoll und naheliegend, dass es verwundert, dass bislang noch niemand drauf kam. Und das in Zeiten, in denen die Nachfrage nach flexiblen Rechenkapazitäten ständig steigt und die Heizkosten nur eine Richtung kennen – nach oben.

Der eine Immobilienbesitzer setzt auf eine Gasbrennwertheizung, ein anderer auf eine Wärmepumpe, Pellets oder Kachelofen und wieder andere kommen nicht vom Öl weg. Strom galt bislang als ein absolutes No Go für energieeffizientes Heizen. Das könnte sich jetzt ändern.

Nebenprodukt Wärme

Auch wenn ein Großteil der klassischen Glühbirnen seinen energiesparenden Nachkommen weichen musste – die meisten Deutschen wissen noch, dass 95 Prozent des eingespeisten Stroms als Wärme “verheizt” werden. In großen Rechenzentren (RZ) summiert sich dieser Effekt – trotz immer effizienter werdender CPUs – zu bedeutenden Größenordnungen. Das kann jeder bestätigen, der schon einmal in einem Serverraum stand. Um den Hitzekollaps der Rechner zu verhindern, werden Rechenzentren gekühlt. Ein Drittel des gesamten Strombedarfs fließt daher in Kühlung und Klimatechnik. Oder anders ausgedrückt: 11 Prozent der Gesamtkosten für IT. Ein durchaus nennenswerter Beitrag in der Kostenbilanz der Rechenzentrumsbetreiber.

Wärme-Recycling

In Zeiten, in denen gleichzeitig die Nachfrage nach Rechendiensten – auch im Zuge der Cloud-Computing-Ära – und die Ansprüche an Nachhaltigkeit immer höher werden, drängen sinnvolle Lösungen für die Abwärme geradezu auf die Tagesordnung. Ein bekanntes Beispiel kommt aus Finnland: Ein lokaler Energieversorger, Helsingin Energia, und ein IT-Dienstleister, Academica, haben sich dort zusammengetan, um die RZ-Abwärme zum Heizen der umgebenden Häuser zu nutzen. Wärme von der Recyclingrampe sozusagen.

Wenn Wissenschaftler Häusle bauen

Noch einen Schritt weiter geht die Idee von Cloud & Heat aus Dresden. 2009 planten dort der Informatiker Prof. Christof Fetzer und der Physiker Dr. Jens Struckmeier von der TU ihre Eigenheime. Und sie waren auf der Suche nach einer nachhaltigen Heizlösung. Sie entwickelten die Idee, die Abwärme von Rechnern aus einer dezentralen Cloud zu nutzen.

Das Prinzip ähnelt hinsichtlich der verteilten Organisation der Rechenressourcen dem Seti@home-Projekt. Immobilienbesitzer stellen sich einen oder mehrere Server ins Haus, der über ein Netzwerk an einen Rechenverbund angeschlossen wird. Auf diese Weise entsteht eine dezentrale Cloud, deren Rechenkapazitäten von Unternehmen gemietet werden können.

Die anfallende Abwärme entsteht auch dezentral – und zwar in den Häusern der “Hoster”. Ein Wärmetauscher und ein Wärmepuffer am Server nutzen die Wärme, um Heißwasser zu bereiten, das in den Heizkreislauf des Hauses eingespeist wird.

Drei Gewinner

Ein Gewinn für beide Seiten: Der Hausbesitzer erhält auf 15 Jahre ein garantiert warmes Haus – er zahlt nur einmalig die Kosten für den Heizschrank, die um ca. 10.000 € liegen. Strom und Betrieb der 50 MBit-Internetleitung sind inklusive. Der Rechenprovider muss kein Rechenzentrum unterhalten; spart also die Kosten für Klima und Kühlung. Und zudem alle Kosten für Miete, Bau, Sicherheitspersonal etc. Diese summieren sich üblicherweise auf knapp die Hälfte der Kosten beim Betrieb eines Rechenzentrums. Und letzten Endes profitiert natürlich auch die Umwelt vom Konzept, indem fossile Brennstoffe gespart werden.

Überzeugende Argumente für den Start: Die beiden gründeten Aoterra, haben mittlerweile einige Dutzend derartige Serverschränke quer durch die Republik installiert und verkaufen ihre Cloud-Leistungen. Just im Mai 2014 firmierte das mittlerweile 50 Mann starke Unternehmen Aoterra für den internationalen Markt um in Cloud & Heat. Cloud & Heat verkauft Cloud Computing aus dem IaaS-Spektrum: virtuelle Maschinen für einfache Rechenkraft und Speicherkapazität. Wir fanden die Idee so spannend, dass wir unbedingt mehr erfahren wollten. Dazu interviewten wir Ralf Knobloch, den Chief Cloud Officer von Cloud & Heat. Das Interview gibt es nächste Woche hier auf dem divia-Blog.

Bildverweise:

Rainer Sturm/pixelio.de